Man konnte sich Geld auf allerlei Art und Weise verdienen. Entweder man arbeitete im sozialen Bereich, spielte den heiligen Samariter und besaß im Nachhinein das Gefühl, mit gutem Gewissen eines Tages ins Gras zu beißen … oder man ermordete einen reichen Knacker, damit die junge Ehefrau all das Erbe abstauben konnte. Wenn es nach Yano ging, waren ihm beide Optionen etwas zu krass. Für einen durchschnittlichen Job war er zu unnormal und für die kriminelle Schiene war er dann doch auf einmal wieder zu normal. Also entschied er sich für etwas, was sich hauptsächlich im Internet abspielte. Er interessierte sich für Menschen, es faszinierte ihn, wie unterschiedlich sie alle doch sein konnten und dass, obwohl sie dieselbe Luft atmeten. Sie glichen Büchern und er versank gerne in ihnen, doch statt sie zu lesen, ließ er sie sich viel lieber vorlesen.
Yano war ein Host. Viele definieren diese Art Job anders. Doch auf seiner Internetseite hatte er alles bis ins kleinste Detail erklärt. Da sich Yano jedoch immer blind in Geschehnisse warf, wusste er, dass nicht jeder sich informierte. Es war so, als würde man von jemandem verlangen, die allgemeinen Geschäftsbedingungen zu lesen.
Mit verschränkten Armen saß Yano leicht kippelnd auf dem weißen Caféstuhl. Sein gegenüber war ein Mann mittleren Alters, an vereinzelten Stellen war sein Haar bereits ergraut und allmählich kämpfte sich der Drei-Tage-Bart zurück an die Front. Abgesehen davon hatte sich dieser Herr deutlich rausgeputzt.
“Für dich, … ich hoffe es gefällt dir”, der Geruch frisch gekaufter Rosen drang in Yanos Nase. Seine blutroten Iriden beobachteten ihn dabei, wie er ihm allen Ernstes eine kleine Vase mit Rosen hinüberschob. Außenstehende hielten dieses ungleiche Paar sicherlich für Vater und Sohn. Nicht verwunderlich, schließlich saß da jemand mit einem Anzug und der andere trug lockere Trainingskleidung, als wäre derjenige nur wenige Minuten zuvor im Fitnessstudio gewesen. Yanos rechtes Auge zuckte leicht, mit leichter Verwunderung blickte er auf die Blümchen vor ihm. Diese Geste war bereits ausreichend, um zu realisieren, dass es sich hierbei um ein einseitiges Date handelte.
“Oh, hahaha”, er lachte einmal herzhaft, so sehr, dass er sich die Hände auf den Bauch pressen musste.
“Sorry … war ich zu voreilig? Ich dachte wirklich, dass es zwischen uns mehr werden könnte, nach all den Telefonaten”, nervös kratzte sich der Fremde an der Schläfe. In der Zwischenzeit versuchte sich der Kiyabu an den Namen seines Gegenübers zu erinnern. Vergebens. Zwar kannte er seine gesamte Lebensgeschichte, doch der Name war ihm tatsächlich entfallen. Einige Nachbartische beäugten die beiden. Yano konnte zahlreiche neugierige Augenpaare auf ihn spüren. Oh Mann, wie unangenehm.
“Das ist mein Job, so verdiene ich mir mein Geld. Es tut mir Leid, wenn du dir Liebe erwartet hattest”, erklärte er nun vorsichtig. Nicht alle nahmen Abfuhren gut auf. Und irgendwo konnte er es auch nachvollziehen. But come on … er war ein Host. Natürlich musste er jedem ins Gesicht lächeln, über den letzten Scheiß lachen und so tun, als wären die langweiligsten Geschichten auf Erden interessant.
“Du … machst das auch mit anderen?”, es schien, als weiche ihm all die Farbe aus dem Gesicht. Entgeistert runzelte Yano seine Stirn. Ja sicher?
“Bingo. Es ist mein Job … ich meine ich habe dir das auch schon oft erklärt”, ach fuck, musste er noch offensichtlicher werden?
Etwas konfus rührte Yano nun seinen Kaffee um, aber das nur, um eine Art Hintergrundgeräusch zu erzeugen, weil die Stille jetzt gerade so unerträglich war. Nun ja, bis zu dem Moment, als er das Klirren einer Tasse vernahm und er sich kurz umdrehte, um einen Blick über seine Schulter zu spähen. Oh wow. Eine überaus hübsche Frau. Viel eher überraschte ihn, dass beide irgendwie die gleiche Haarfarbe rockten. Bevor er sie sich länger ansehen konnte, zischte auch schon eine Drohne an ihm vorbei.
“Alter …”, sie war so schnell, dass sie die schicke Rosenvase vom Tisch fegte und diese in endlich hunderte Teile zersprang.
“Wooooah, hast du das gesehen?”, er verfolgte die wirre Drohne mit seinen Augen. Hier konnte man wohl den deutlichen Unterschied zwischen den beiden Männern erkennen. Während einer geschockt und fast ängstlich reagierte, war der andere fast schon kindisch interessiert.
“Sie kommt wieder, haha!”, Yano war aufgesprungen, beobachtete das fliegende Geschirr und dann entleerte sich der Kaffee auf dem kompletten Tisch.
“Wieso freust du dich?! Setz dich wieder hin. Wo ist der Manager?!?”, kläffte sein Date, haute dann einmal so doll auf den Tisch, so dass der letzte Rest an Deko auch nun einen Abgang machte.
“Hast du all das inszeniert, weil du mich von vorne herein wie ne Weihnachtsgans ausnehmen wolltest? Extra für Ablenkung sorgen, damit du dann vom Männerklo aus die Biege machen kannst?”, Yanos Schädel brummte. Was zur Hölle war denn falsch mit diesem Typen? Mittlerweile wusste er nicht mal mehr, ob Leute die Drohne anstarrten oder die Soap-Opera, die sich zeitgleich vor ihren Augen abspielte.
“Komm runter. Ich bin nicht so feige. Ich hab kein Problem damit dir ins Gesicht zu sagen, dass ich nicht auf dich oder Männer im Allgemeinen stehe”, nachdem dieser Satz für einige Sekunden im Raum stand, war das nächste was flog der Tisch an welchem sie saßen. Aber hieran war nicht die Drohne Schuld …
#001 Valca & Yano in einem Café in der Innenstadt